Reflexion

Mein Werk, Gebilde, hat keinen Anfang, kein Ende. Es „zeugt“ vom Werden. Es entsteht und vergeht. Das Alte verbindet sich im Neuen. Wird Requisite im Bühnenbild des Lebens. Das Alte strebt nach Erneuerung in der Zeit, verströmt sich in die Welt, will nicht verweilen; fordert in der Anschau die Verwandlung, ruft vielleicht nach Erlösung. Ich enthülle, verhülle, verschlüssele, haue Bilder; wie der Hauer arbeite ich vor Ort. Das Atelier ist nicht gemauert, vielschichtig, transparent. Nicht leicht berührbar im Wort und in der Tat. Fragmente, Weggeworfenes – Wiederverwertung – Rohstoff – Quelle. Werte für die Phantasie. Kunstvoll gefunden, gerichtet zum Bild, komponiert, als Sprache ohne Worte.

Meinem Kunstschaffen liegt das Bestreben zugrunde, Bildräume für mich sprechen zulassen; meine Kunst vermittelt künstlerische Anstrengungen, menschliches Ringen nach Seinsantworten. Zu dieser Vorgehensweise gehört besonders der Versuch, in Kontakt zu kommen mit der Welt. Mensch und Ort beeinflussen in starkem Maße die Zeugung, das Wachsen und das Zeigen eines Werk-gedankens.

Ein Kunstwerk ist ein Gebilde in dieser Welt. Seine Existenz beinhaltet eine eigene Sprache. Durch das Schaffen eines Kunstwerkes zeigt der Künstler seine Merkwürdigkeit. Er zeigt dem Betrachter eine Ebene seines eigenen Seins. Die eigene Lebensbiographie wird dem Betrachter im Verweilen bei dem Kunstwerk Anknüpfungspunkte anbieten. Der Werkgedanke fügt sich aus dem Prozess für einen Augenblick       – bildhaft  
in Ort und Zeit.

In der Ausstellung können Künstler, Werk und Betrachter einen Dialog eröffnen. Der Künstler entlässt sein Werk in die Welt, das Werk wird hier eigenständig wirken und mit Gadamers Worten seine „Eigenzeit“ erlangen. Dies ist gleich einer Geburt, es hat Zeugung stattgefunden, das Gebilde erlangt Eigenständigkeit. 
WolfRabe

Vom Werden und Vergehen

Trauma in der Biografie eines Menschen ist eine Singularität, die immer Bruch und Neuorientierung bedeutet. Manchmal bricht man mit einer Vergangenheit, manchmal mit anderen Menschen, oft ändern sich Gewohnheiten, meist sogar Persönlichkeiten aber immer bleibt emotionales Narbengewebe zurück. Wenn ein Ereignis so intensiv ist, dass es sich unauslöschlich in Denken und Handeln einbrennt, wird der Bruch irreversibel und ein Leben verändert sich von einem Tag auf den anderen.

Die Beschäftigung mit den Fragen nach dem Werden und Vergehen hat für den Bonner Künstler WOLFRABE existentiellen Wert. Sein Werk besteht aus einem permanenten Bemühen, den Lauf der Zeit zu verfolgen und in einzelnen Stationen zu konservieren.Vergängliches, das aus dem Blickfeld geraten ist, holt er zurück und präsentiert es in einem System aus korrespondierenden Einheiten, die ausgesonderte und vergessene Wertstücke temporär zu neuem Zweck führen.

In seiner eigenen Person lebt WOLFRABE diesen Prozess vor, indem er sich selbst als wesentliches Element in seine Arbeiten integriert. Mit Performances und Aktionen präsentiert er den Betrachtern seine momentane Existenz.

Durch die künstlerische Auseinandersetzung mit Vergangenheit / Aktualität in der Welt findet WOLFRABE fürdie Zukunft künstlerische Inhalte. Diese, seine künstlerische Position ist geprägt von einer seltenen Authentizität, konzentrierter Arbeit und einem permanenten konzeptionellen Feinschliff. So entstehen Werke, die sich seltenals solitäres Objekt manifestieren, sondern fast immer als Prozess, an dessen Ende jedes Mal wieder eine erneute Auseinandersetzung mit dem Generalthema steht und die Basis für den nächsten Zyklus bereitet.
Werden und Vergehen.
Helmut Reinelt

Was ist Kunst?   Video Edda Dietrich im Gespräch mit WolfRabe

Zum Kunstschaffen von WOLFRABE

Präsenz – WolfRabes Werke und seine Person vermitteln einen hohen Grad an Präsenz, konzentrieren die Rezipierenden auf den Augenblick, auf die Begegnung mit Person und Werk, die sich insgesamt in seinem Kunstschaffen nur schwer trennen lassen. Die Direktheit der Konfrontation mitbeiden sind am dichtesten in den meist zum Konzept gehörenden Performances der Werke zu erleben. WolfRabes Werke eröffnen einen weiten Raum der künstlerischen Rezeption, der jedoch eigentlich nur von innen erlebbar ist. Man ist „drin“ in seinem Werk, oder nicht !

Grenze – In diesem Zusammenhang erlebe ich WolfRabes Kunstschaffen als Grenzgängertum, das die „Grenze als fruchtbaren Ort der Erkenntnis“ (so der Kulturtheologie Paul Tillich) exploriert. Dass Rezipierende sein Kunstschaffen auch als „grenzwertig“ bezeichnet haben, kann von daher nur als Kompliment gelesen werden.

Prozess – Dieses Operieren mit und auf der Grenze ist von WolfRabe in der Regel als Prozess gestaltet. Seine Werke erschließen sich somit am ehesten in der Teilhabe an diesem Prozess, sei es in und mit einer Performance, sei es in der Kunstform des Gesprächs, die WolfRabe im Umfeld seiner Werke ausführlich zu pflegen in der Lage ist, sei es im öffentlichen Diskurs über Kunst in Tagungen, Podien oder Künstlergesprächen. WolfRabe ist ein Prozesskünstler.
Prof. Dr. Gotthard Fermor

Raumgreifend

WolfRabe tritt nicht einfach ein ...

er ergreift den Raum, der sich ihm öffnet –
und breitet sich darin aus ...
weitet ihn ...
durch seine Werke

„Raum greifend“ sind seine Aktionen,
seine Inszenierungen,

er sucht kein Dach,
keine Schutzhütte,
keine Be-HAUS-ung

er greift sich den Raum

und breitet darin seine Dramen aus ...

drei Torsi: Golgatha
eine Fahne, ein Mensch unterwegs ins Licht: Paradies.

Er greift sich den Raum:

Die aparte Schönheit der Bonner Schloßkirche –
er hat sie gefunden,
aber er braucht sie nicht wirklich:

Hannover, Messehalle 17
nicht expo-niert,
fast am Rand
wie Golgatha ...
und doch tausendfach beäugt ..

wirkt sein Dreifach-Kreuz
auf einem Rollgestell ...
das Kreuz in Bewegung ...
unterwegs ... ans Herz greifend ....

„Gehet hin in alle Welt“

Jeder kann es sehen: WolfRabe ist unterwegs,
man spürt die Richtung ... das Ziel ist Öffnung – Licht ...

Prof. Dr. Reinhard Schmidt-Rost

„gewest“ – Versuch eines Angangs des Verstehens seiner Kunst

Die Anziehungskraft, ja Ansprungskraft seiner Kunst speist sich aus der bohrenden Tiefe eines existenziellen Fragens. Die verlockende Abgründigkeit seiner Arbeiten wurzelt in dem gereiften Ernst eines Ringens mit den Gründen und Abgründen des Lebens, dem aber nie das Leichte, das Luftige, die Höhe des Spielerischen verloren geht. In WolfRabes Kunst präsentiert und produziert sich keine selbstverliebte Künstleregomanie, die wir in ihrem Individuellen, je nach persönlichem Geschmack, beifällig oder abfällig zur Kenntnis nehmen und dann abhaken können. Weil sie in ihrem Grund das Private hinter sich gelassen hat, vermag WolfRabes Kunst uns zu bewegen. Vermögen wir es, uns auf sie einzulassen. Dieses Einlassen aber geschieht und kann nicht distanziert geschehen. Die Ansprungskraft von WolfRabes Kunst fordert und fördert das, was der Philosoph Hegel das „Einhausen“ genannt hat, das einheimisch Werden in einem Kunstwerk. Denn in Rabes Arbeit kommt etwas vom Leben selbst auf uns zu. Nicht als abgeschilderte Darstellung einer gezähmten Symbolik, sondern als lebendiges Wesen wird hier archaisch Tiefgründiges offengelegt. Befremdlich bis bedrohlich und doch zugleich auch heiter und verletzlich, von geheimnisvollem Licht durchflutet. WolfRabes Arbeit stellt uns unvermittelt vor das herausfordernde Chaos unsres eigenen Daseins. Stellt uns in die erschreckend beengende Realität von Leben und Tod. Seine Kunst geht beunruhigend nahe, „bis auf die Knochen“. Sie dringt vor in „Mark und Bein“. Unwillkürlich überfällt uns ein tiefsinniges und hintergründiges Spiel von Symbolik und Ernst. Ein Spiel, das über das Kunstwerke hinaus, auf unsere Verstörung ausgerichtet ist. Auf eine Verstörung, die anstoßen und anstößig sein will. Eine Verstörung, die uns vom Gewohnten weg lockt, um unseren Blick in die Tiefen und Untiefen des Lebendigenzu richten, um dabei, wenn das Zusammenspiel gelingt, etwas über die offenen Geheimnisse unseres eigenen Lebens zu erfahren.
Dr. HartmutTraub

gefallen 

Ich weiß, dass WolfRabes Werk der "Aufschlag" in einem Dialog ist, den er mit dem Betrachter führen möchte (oder von dem er sich wünscht, dass er untereinander in Gang kommt). Ich bin sicher, dass sich WolfRabe gerne die Beuys'sche Aussage zu eigen machen würde: "Wer nicht denken will, fliegt raus". WolfRabe will zum Denken, zu einer Auseinandersetzung einladen. Seine Fundstücke des Alltäglichen werden – in neue Zusammenhänge gebracht – zu Botschaften. WolfRabe will erzählen. Er tut dies, indem er sich selber ins Spiel bringt, sich nackt oder verletzt abbildet, sich in seine eigenen Inszenierungen begibt und damit eins wird mit seinem Werk. – Einen WolfRabe kann man nicht ausstellen. WolfRabe stellt sich selber aus, er installiert und inszeniert.
 


WolfRabe findet im Handeln die konkrete Aussage und Form.Und wenn er dies – für sich – in einer vehementen Eindeutigkeit gefunden hat, beginnt er die Inszenierung, mit der er uns für den Moment des Verweilens entführen möchte. WolfRabes Installationen, Ausstellungen und Inszenierungen sind ein Spiel, in dem Sie und ich – wenn wir uns darauf einlassen – gewinnen sollen.


WolfRabe will mit seiner Kunst wirken. Vielleicht auch heilen. Die eigenen Wunden ebenso, wie die Wunden und Makel der Gesellschaft in der wir leben. 

Stefan Hermes
Auszug aus theomag 45/2007

 Verpuppung der Erzengel

Dass sich die Kunst von WolfRabe der Eindeutigkeit entzieht, ist nur zu ertragen durch die Ahnung, dass hier einer es wagt eine Wunde freizulegen, die nicht nur seine eigene ist, die zwischen den Geschlechtern klafft und in jedem. Und diese Ahnung lässt einen den Faden finden, der Orientierung gibt und den Weg weist in diesem Labyrinth, hinaus aus der Verpuppung. 
Prof. Jochen Breme

Flieg. Engel. Flieg

Die Kunst von WolfRabe ist fordernd. In dem existentielle Themen behandelt und archaische Motive verwendet werden, wird der Betrachter gezwungen, sich zu seiner Kunst zu verhalten. Sie lässt nicht unberührt, sondern fordert auf, sich damit zu beschäftigen. Intensive Lebenserfahrungen und große Sensibilität für das menschliche Dasein mit seiner körperlichen und seelischen Verletzbarkeit bilden das Fundament seiner künstlerischen Arbeit. Dabei geht es nie um Provokation – wie es manchem auf den ersten Blick erscheinen mag – sondern um eine ernsthafte Auseinandersetzung. WolfRabe sucht den Diskurs, zuweilen auch die Kontroverse und immer das Gespräch.

Es geht ihm um das Bewältigen unfassbarer Geschehnisse, um Gewalt und Tod. Zugleich aber spielen die Hoffnung und der positive Wandel eine entscheidende Rolle. Die Balance zwischen Gut und Böse, Sterben und Leben, Liebe und Hass, Angst und Freude sind die disparaten Pole, die in sei­nen Installationen zum Ausdruck gelangen.

Diese prozesshafte Auseinandersetzung und unmittelbare Entwicklung zeichnet die Arbeitsweise von WolfRabe aus. Mit ungeheurer Intensität versinkt er in einemsich stets wandelnden Schaffenspro­zess. Einem Perpetuum Mobile vergleichbar, das – einmal in Gang gesetzt – fortwährend in Bewe­gung bleibt und dabei Energie freisetzt. Energie, die für den Künstler Inspiration, Assoziation und Reflexion bedeutet. Insbesondere durch den reflexiven Charakter entsteht schließlich ein sich stets bedingender und einander durchdringender Impuls zwischen Künstler und Kunstwerk. Existentielle Erlebnisse werden auf diese Weise verdichtet und zugleich auf eine rezipierbare Ebene gebracht. Sowohl der Betrachter als auch der Künstler selbst können durch das künstlerische Medium in einen Dialog treten.
Alexandra Wendorf M.A.,Junge_Kunst
Katalog Brücken-Festival 2009, S. 18 ff

WolfRabe

"Es ist der lautlose Schrei, das Nichtvergessenkönnen. 
Es sind Knochen, Erinnerung und Mahnung. 
Heute. Immer."
Stefan Hermes  
Katalog Brücken-Festival 2007, S. 81   

strip to the bone

Mit dem Frohsinn um die Wette laufen … ist bei dem Betrachten und dem Ein­lassen in die Arbeiten von WolfRabe unmöglich.

Den Raum, den sich WolfRabe nimmt, scheint mir der Versuch zu sein, sich einen Platz in der Ordnung aller Dinge zu erschaffen, und sich so über die Macht und die Ohn­macht des Menschen hinsichtlich seines eigenen Schicksals klar zu werden, d. h. einverstan­den zu sein.

In seiner Arbeit sehe ich den Meister des Dramas aufblitzen; denn ich spüre auch die Angst sich zu offenbaren. Er ist auf dem Weg, Gedanken, die uns alle angehen, anschaulich zu ma­chen. Sein Anliegen ist es, sich und anderen Menschen Mut zu machen, sich an das Grund­sätzliche heranzumachen. Es ist die Sucht und Sehn­sucht nach der letzten Auskunft bzw. Antwort un­seres Seins. Es könnte die Lie­be sein, die ergeben möchte als auch zu empfan­gen begehrt.
Antonia Wenzlawski 

 „gewest“

Die Kunst von WolfRabe ist im guten Sinn so zwiespältig wie sein Künstlername, WolfRabe: Der Wolf ist das Tier, das mir Lebensangst einjagt. Der Wolf reißt brutal die Lämmer, er macht sie zu Opferlämmern. Als Theologe assoziiere ich sofort Christus das Opferlamm. Der Wolf ist aber auch gleichzeitig das Tier, das nur in der Gemeinschaft des Rudels leben kann. Nach der Legende hat er in mütterlicher Fürsorge Romulus und Remus gestillt und damit Rom, die Mutter unserer Kultur, groß gemacht. Das schwarze Federkleid des Raben und sein krächzendes Schreien haben ihn zum Boten des Todes und des Unglücks gemacht. Wir sprechen auch vom Unglücksraben. Gleichzeitig ist er das Tier, das den Vater der Mönche, die hier gelebt haben, den heiligen Benedikt gerettet hat. Er hat das giftige Brot weggeschnappt, welches die Mitbrüder Benedikt auftischten. Deshalb hat der Rabe bei der Benediktsfigur im Münster Wohnrecht. Die Kunst ist auf diese Weise zwiespältig: sie ist auf der einen Seite hellsichtige Botin des Unglücks, des Todes und der Aggressivität. Sie ist aber gleichzeitig nährende Mutter, Stillerin und Beschützerin, die das Gift des Lebens wegfrisst.

Wenn Kunst zwiespältig ist, reißt sie zwei Spalten auf. Die Erdspalte und die Himmelsspalte.WolfRabe lässt uns in beide hineinschauen, er zwingt uns zu diesem Blick undwir sehen uns selbst, wenn wir in die Erde hineinblicken und wenn wir in den Himmel hineinblicken. Durch den Künstler kommen wir nicht daran vorbei den Blick zu wagen nach unten und nach oben.
Dr. Albert Damblon

TIE ZE BRETS

WolfRabe thematisiert mit seinem raumgreifenden Werk das Dilemma der menschlichen Existenz, die im Streben nach Höherem die eigene Sterblichkeit ausschließt. WolfRabe verehrt die Einzigartigkeit der Menschen im Wissen um ihre Gleichheit im Tode. Mit TIE ZEBRETS gelingt es ihm einen Ort intimster Trauerkultur zu schaffen, der über die Vielfalt des Dargestellten eine Universalität erlangt, die es dem Betrachtermöglich macht, in tiefere Dimensionen des Lebens und Sterbens vorzudringen. Mit TIE ZE BRETS entsteht ein musealer Ort, der Menschen annähernd so berühren kann, wie es nur die Erfahrung von der eigenen Endlichkeit tun kann.
Stefan Hermes

Abgrund und Negation der Kunst
Grußwort zur Ausstellung von WolfRabe

Durch die Aktualität unddie Kraft ihres Schaffens negiert und vernichtet die Kunst stets ein anderes Sein.

Kunst ist Negation des Bestimmten. Überwindung und Aufhebung des Gegenständlichen.

Kunst ist der Abgrund des Seins.

Ihrem Wesen nach kann und will Kunst nichts lassen, wie es ist. Ihr Wesen treibt sie, Seiendes zu verwandeln.

Als Arbeit am geistigen oder stofflichen Material hebt die Kunst das Material in seinem bloßen Sein auf; negiert sie dessen reine Faktizität. Kunst ist der Trieb zur Negation.

Kunst ist der Abgrund des Seins als Sein.

Auch der Künstler erfährt an sich dieses Abgründige und Negative seines Schaffens. Auch ihn will die Kunst nicht sein lassen, wie er ist. Auch der Künstler steht im Schaffen seiner Kunst stets vor dem Abgrund, vor der Negation seines Seins. Seine Kunst wandelt und negiert ihn beständig, sie lässt ihn zu Grunde gehen, wo er selbst sein und fest stehen will.

Ein Werk der Kunst, ein Kunstwerk, ist das durch und in schaffen der Seinsnegation aus der Abgründigkeit des Seins Hervorgebrachte.

Als solches ist es in seinem Sein und Bestand selbst ein doppelt Negatives. Es ist Werk und Erscheinung der Kunst als Negation des Seins. Und als stehendes Werk widerspricht und negiert es den alles Bestehen vernei­nenden Schaffensakt der Kunst.

Ein Werk der Kunst in diesem Zustand doppelter Negativität zu belassen, heißt: es aus-zu-stellen, heißt: es ab-zustellen, heißt: es zu-zustellen. Eine Ausstellung ist eine solche Abstellung, eine Zustellung und Verbergung, vielleicht sogar eine Abschiebung der Kunst.

Museen sind Abstellräume der Kunst. Und, die Assoziation zu Nietzsche sei gestattet, wie die Kirchen die Gräber des lebendigen Gottes sind, so sind die Museen die Grabstätten der lebendigen Kunst.

Vom seins negierenden und lebendig-abgründigen Wandlungsprozess des Schöpferischen abgeschnitten, ihm entfremdet, stehen die Kunstwerke ausgestellt, festgestellt. Sie vegetieren, verwesen museal befremdlich und befremdend in lichten Grüften und gottverlassenen Musentempeln.

Dennoch: hier abgestellt, verbleibt im Kunstwerk eine Spannung. Eingespannt ist das Kunstwerk zwischen dem seins abgründigen Prozess seiner Hervorbringung, der an ihm haftet, und dem Negativen seines Bestandes als Kunstobjekt. Seine Ausstellung sorgt seine Sicherheit. Denn nichts bietet dem Kunstwerk besseren Schutz vor seiner Aufhebung, vor seiner Negation durch einen erneuten schöpferischen Zugriff, als das Gefängnis und die Wächter eines Museums.

Allerdings, so eingefangen und geschützt gewinnt die von der Kunst negierte Welt Macht über das Kunstwerk. Es wird in diese Welt aufgenommen, eingezogen und angeeignet. Die performative Aktualität künstlerischen Schaffens, die Performance, zudeutsch: die lebendige Gestaltung oder der Ausdruck des Lebendigen, gerinnt zur Statik, gewinnt Festigkeit durch Installation. Die seins negierende Abgründigkeit der Kunst wird Oberflä­che, das Kunstwerk wandelt sich zum Kunst-Objekt, es wird ein Ding und schließlich eine Ware. Und der künstlerische Wert mutiert zum Preis. 

Aber: solange das Kunstwerk bleibt, bleibt es ein Werk der Kunst. Deren seins negierende und weltvernei­nende Kraft lässt sich vom Kunstwerk nicht lösen. Sie ist ihm durch die Schaffenshand des Künstlers einge­brannt und eingefleischt. Kunstwerke sind nichts anderes, als das Signum der umschaffenden Künstlerhände, Bild des stets neuschöpfenden Künstlergeistes und seines lebendigen Schaffensdrangs.

Es ist das Wunder unserer ästhetischen Existenz, dass die stummen Zeugen künstlerischen Schaffens, selbst dort, wo sie ihrer Schaffensquelle entfremdet sind, selbst da, wo sie kalt- und abgestellt sind, aus dem Unter­boden ihrer geronnenen Objektivität uns anzusprechen vermögen. Aus der nichtssagenden Dinglichkeit ihres ausgestellten Seins sprechen sie beständig das aus, was sie ihrem inneren Wesen nach sind: Ausdruck und Symbol der alles Sein infragestellenden, alles Sein in den Abgrund ziehenden Kraft der Kunst.

Gelingtes dem Kunstwerk, sich gegen die verstopften Augen, Ohren und Gemüter der Welt Gehör zu ver­schaffen, dann sind die so Angesprochenen schon auf dem gefährlichen Wege, durch die geronnene Form in die innere Glut des Schaffens vorzudringen, die einst und jetzt den Geist und die Seele, das Herz und die Hand des Künstlers belebt, begeistert, besessen und befeuert hat. Sie sind auf dem Wege auch in ihren eigenen Ab­grund. Und das ist es, um noch einmal Friedrich Nietzsche zu Wort kommen zu lassen, „Was geliebt werden kann am Menschen, dasser ein Übergang und ein Untergang ist.“ (Also sprach Zarathustra, Vorrede)

Ich wünsche den Besuchern Deiner Ausstellungen einen solchen verstörenden und abgründigen Gang in das Wesen der Kunst. Ich wünsche uns einen solchen Gang in den eigenen Ab- und Untergrund. Mag sein, und es wäre zu hoffen und zu wünschen, dass dieser Gang uns einen Übergang eröffnet.
Dr. Hartmut Traub 

WOLFRABE über Kirchenkunst

1.  Warum ist Künstlerarbeit Knochenarbeit?
In der Frage steckt schon eine Antwort. Es heißt ja: das geht bis auf die Knochen, das geht durch Mark und Bein. Kunst sollte wesentlich sein, Kunst muss einen substantiellen Kern in sich tragen. Dem Kunstwerk einen inneren, wesentlichen Ausdruck, eine starke „Tragkraft“ zu verleihen, das ist eben Knochenarbeit. Mein Kunstschaffen ist der Versuch des kunstvollen Erfinden ; das Er- Zeugen von existentiellen Ausdrucksformen. Zeitgenössische Kunstwerke können in ihrer Bildsprache, in der ersten Anschau, auch einen verstörenden Ansatz vermitteln. Als „Pigment“ für meine Raumbildnisse verfüge ich auch über einen realen riesigen Knochenschatz – angefangen von Rindergebein, über Hasenschädel, bis hin zum Halswirbel einer Amsel oder einer Fledermaus. Knochen/Gebein sind für mich wie Vokabeln in der Sprache der Kunst. Es geht hierbei auch hautnah um die Auseinandersetzung, dem Umgang mit dem Leben, dem Sterben und dem Tod.

2.  Was erwarten Sie von Kirchen, in denen Sie ausstellen?
Kunst in Kirchenräumen wird in der Regel von „Gläubigen“ kuratiert, nicht von Galeristen oder Museumsdirektoren. Für eine Kirchengemeinde kann Gegenwartskunst im Glaubens­raum unter Umständen Reibung erzeugen oder sogar zu Konflikten führen. Existentielleren Kunstwerken Einlass in die Kirchenräume zu gewähren fordert eine lebendige, kräftige und scharfe Position des „KirchenKunstKreises“. Er muss dann bereit sein vor und für die Zeit der Kunstausstellung im Kirchenraum als Vermittler zwischen Werk und Kirchenbesucher aufzu­treten – Öffentlichkeitsarbeit leisten. Kontroverse Sichtweisen sollten hier erwünscht und gewollt sein. Die Überwindung von inneren Widerständen, darin steckt für mich auch eine Verbindungvon Kunst und Glauben, das Ringen nach Seins / Fragen / Antworten.

3.  Wo fordert Sie die Kirche künstlerisch heraus?
Aus der „Kunstszene“ heraus, werden Kunstausstellungen in Kirchenräumen, in der Regel, wenn überhaupt, leicht spöttisch wahrgenommen. Kunst im Museum ist für mich aber andererseits wie Kunst im Mausoleum. Hier wird die Kunst vor der Berührung bewahrt. Sie ist hier gut konserviert. Kirchenkunst sollte aber berühren. Ein Kirchenraum ist ursprünglich kein Kunstraum. Er wird in Stimmung und Architektur domi­nant gegenüber der Kunst bleiben. Sehr wohl sollten Künstler und Pfarrer, Kirchengemeinde, wenn das Zusammenspiel gelingt, mit dem Kunstwerk im Kirchenraum etwas in Bewegung bringen, „Unerhörtes“ erklingen lassen, die „anstößige Energie“ des Kunstwerkes benutzen, um mit dem ernsthaften Anliegen von Kunst und Glauben dazu beizutragen, die Abgründig­keiten zwischen den Menschen zu überwinden. Diesen Anspruch hege ich an das Kunstschaf­fen. Es kann nicht um die Dekoration von Glaubensräumen gehen.

Ein Künstler kann nur unter Berücksichtigung der jeweiligen KirchenRaumStimmung ein ausdrucksstarkes Werk zur Anschau bringen – Kunst und Kirche müssen in einen Dialog treten.

Im Kunstraum finden auch Gottesdienste statt, werden Erdenbürger getauft, Hochzeiten gefeiert, Abschiedsgottesdienstfeiern können während der Ausstellungszeit Anteil am KunstWerk haben. Die Teilhabe der Kunst am religiösen Leben von Menschen, lässt aus KunstBetrachtern KunstBetroffene werden.

Der Glaube und die Kunst sind Nichts, wenn sie nicht aus einem Bekenntnis leben, aus der öffentlichen Demonstration ihrer Über­zeu­gung überdas, was Ihnen wesentlich und bedeutsam ist. 
(Dr. Hartmut Traub)

Dieses Zitat beschreibt für mich die Notwendigkeit von „Kirchenkunst“. Kunst sollte nicht nur als „Produkt“ aus dem Kunstmarkt definiert sein, sondern auch als“ Stein/Wurf“ des Anstoßes Vermittlung vorfinden, nicht aus dem Glashaus, sondern in oder aus einer leben­digen Welt.
Interview von Joachim Gerhardt aus: Protestant Nr. 30

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